UNDER THE UNDERGROUND

von Angela Christlieb

Die beste Musikdokumentation beim UNERHÖRT! Musikfilmfestival 2019

Die UNERHÖRT! Jury hat entschieden: Kathrin Kohlstedde, Klaus Maeck und Johannes Springer haben als beste Musikdokumentation 2019 den Film UNDER THE UNDERGROUND der Regisseurin Angela Christlieb ausgewählt.

Eine lobende Erwähnung spricht die Jury für den Film SHAYNE von Stephan Geene aus. Der von Studio Hamburg Enterprises gestiftete Preis ist mit 1000 € dotiert.

Die Begründung der Jury

Angela Christliebs Film ist eine magische Annäherung an einen buchstäblichen Underground im Zentrum Wiens. Man fühlt sich schnell hineingezogen in diese Kellerhöhle, die sowohl als Probenraum, Studio, Büro und Labor dient und unterschiedlichste Nutzungsweisen auch dadurch erlaubt, dass sie sich keinen Profitimperativ auferlegt. Dieser Keller wird bevölkert von KlangforscherInnen, MusikerInnen und BastlerInnen, deren Charme in ihrer Experimentierfreudigkeit und Offenheit liegt. Ein Nährboden, auf dem unterschiedlichste Genres und Acts wie »Voodoo Jürgens«, »Petra und der Wolf« oder »Tankris« gedeihen können. Sehr deutlich weist der Film auf Möglichkeiten des musikdokumentarischen Filmemachens hin, die jenseits der formatierten und formelhaften Fernsehdoku liegen und Zuhören, Zuschauen, Geduld, Hingabe und Genauigkeit lehren. Talking Heads oder externe ExpertInnen, die jenseits des Undergrounds liegen, benötigt dieser Film nicht. »Under The Underground« interveniert dabei nicht nur in Debatten zu Formfragen der Musikdokumenation, sondern auch zu Fragen von Stadtentwicklung und Verdrängungsprozessen und ist ein Plädoyer zur Bewahrung solcher wichtigen Freiräume.

Lobende Erwähnung für »Shayne« von Stephan Geene

Episodisch erzählend tastet sich Stephan Geene an seinen Gegenstand, den Sänger, Modedesigner und Künstler Ricky Shayne an und erschafft nicht nur ein intimes, offenes Porträt einer enigmatischen Figur, sondern auch einen Versuch über das Genre Musikdokumentarfilm/biographischer Film. Die Konventionen des Genres hinterfragend und selbstreflexiv Probleme wie Zeugenschaft, Vergessen, Verweigerung, Erzählweisen thematisierend aber auch Finanzierungsprobleme, Produktionsbedingungen, erzählt dieser Film nicht nur von Ricky Shayne, sondern als Meta-Film auch vom Filmemachen selbst. Mit einem Moment der Fan-Identifikation beginnend, der am Beginn so vieler Narrative populärer Kultur steht, werden Fragen von Fan- und Startum, Gender, Kulturindustrie, Fernsehen immens persönlich und komplex bearbeitet. Auf verschiedenen Abstraktionslevels funktionierend, evoziert der Film auch Fragen zu hochaktuellen Motiven wie Kosmopolitanismus, Nomadismus, Fremdheit und biographischen Volten, ohne die persönliche Komplexität seines Gegenstands in politischen Formeln zu fixieren. Ein Film, dem nicht zuletzt zum Wohle des Musikdokumentarfilms ein großer Einfluss zu wünschen ist.