Licht –
Stockhausen’s Legacy

von Oeke Hoogendijk

Eine Aufführung, viele Beziehungen, ein Vermächtnis

Oeke Hoogendijk | Niederlande | 2022 | 122′ | OmenglUT

Brilliant, größenwahnsinnig, undurchführbar: Dies sind nur einige wenige Attribute, mit denen der gigantische Opern-Zyklus LICHT des legendären und umstrittenen deutschen Komponisten Karlheinz Stockhausen beschrieben worden ist. 26 Jahre hat Stockhausen benötigt, um dieses überlebensgroße Werk zu schreiben. Seine Aufführung braucht mehrere Tage. Die Arbeit daran hat er 2003 abgeschlossen. Als er vier Jahre später starb, war sein Magnum Opus immer noch nie vollständig zu sehen gewesen: zu kompliziert für eine gängige Opernproduktion, logistisch kaum zu stemmen und viel zu teuer! Kein Opernhaus der Welt wollte sich an ein derartiges Projekt wagen.

Doch dann beschlossen die Nationale Oper der Niederlande, das Holland Festival, das Königliche Konservatorium Den Haag und die Stockhausen-Stiftung für Musik, die Herausforderung anzunehmen und unter der Leitung des international renommierten Regisseurs Pierre Audi die längste Aufführung dieser Oper für 2019 zu realisieren.

Der Dokumentarfilm LICHT rekonstruiert Stockhausens musikalisches Universum anhand dieses Aufführungsprozesses, nicht ohne die dramatische Lebensgeschichte des Komponisten als Hintergrundfolie auszurollen.

Stockhausen hat als Pionier der elektronischen Musik einen riesigen Abdruck in der Musikgeschichte hinterlassen. Der Film porträtiert seinen mystischen Kosmos als von zwei Obsessionen geprägt: von Arbeitswut und nie enden wollender Suche nach Liebe. Regisseurin Hoogendijk spricht mit den Kindern Stockhausens und den vier Frauen, mit denen er sein Leben verbracht hat, von denen zwei – Suzanne Stephens und Kathinka Pasveer – ihn auch bei der Arbeit seiner letzten Jahre begleitet haben. Und so spielen beide – Stephens als dramaturgische Beraterin, Pasveer als Musikdirektorin – auch eine zentrale Rolle bei der Aufführung von LICHT. Beide bewahren mit Inbrunst Stockhausens Vermächtnis, was sich nicht zuletzt in Auseinandersetzungen mit Opernregisseur Audi niederschlägt, der das Werk unbedingt modernisieren, es zugänglicher machen möchte für ein neues Publikum. Audi will wie Stockhausen selbst eine Spur hinterlassen und sich in das Werk einschreiben. Für die beiden Frauen dagegen stellt das Projekt die einmalige Gelegenheit dar, den Zyklus endlich vollständig und im Sinne ihres Mentors und Geliebten zur Aufführung kommen zu lassen. Auf der Produktion lastet ein enormer Druck, die investierten Summen sind mindestens so groß wie der künstlerische Ehrgeiz der unterschiedlichen Akteure. Und immer dringlicher stellt sich die Frage: Was wollte Stockhausen selbst mit diesem Werk epischen Ausmaßes ausdrücken?